(sda) · Am gleichen Tag, an dem die SGB-Delegierten mit deutlicher Mehrheit der Ja-Parole zur Altersvorsorge 2020 zustimmten (Bild), schlossen sich in Bern verschiedene Westschweizer Organisationen zu einem Referendumskomitee zusammen. «Die Reform, die vom Parlament beschlossen wurde, ist keine gute Reform, weder für die Rentner noch für die Frauen oder für die Arbeitnehmenden», sagte Manuela Cattani, Präsidentin der Genfer Gewerkschaftsdachorganisation CGAS, vor den Medien. Für sie steht die Angleichung des Frauenrentenalters nicht zur Debatte, solange die Lohngleichheit nicht umgesetzt ist. Valérie Borloz vom Gewerkschaftsbund Waadt bezeichnete die Reform der Altersvorsorge als «Operation zur Rettung der zweiten Säule». Bei der AHV hätten sich bisher alle Katastrophenszenarien als falsch erwiesen. Im Referendumskomitee vertreten sind derzeit neben der CGAS und dem Gewerkschaftsbund Waadt die VPOD-Sektionen Waadt und Genf, die Organisation SolidaritéS, das Mouvement Populaire des Familles, die Partei der Arbeit und die Rentnerorganisation AVIVO.
SGB
Gewerkschaftsbund beschliesst Ja-Parole
Die Delegierten des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) beschliessen die Ja-Parole zur Reform der Altersvorsorge. Der Entscheid fiel mit 98 zu 21 Stimmen. Der Tages-Anzeiger hält dazu fest:
Begeistert war niemand, doch viele Delegierte hoben die Vorzüge der Vorlage hervor: Dank des gewerkschaftlichen Einsatzes und der guten Arbeit im Ständerat sei aus einer Abbau- eine Ausbauvorlage geworden. «Es ist vorbei mit dem Aushungern der AHV», stellte der Berner SP-Nationalrat Corrado Pardini mit Blick auf den Zuschlag fest. Rechsteiner sprach von einer Weichenstellung für die Stärkung der AHV. Erstmals seit Jahrzehnten gebe es wieder mehr Lohnprozente für die Sozialversicherung. Die Vorlage sei ein«Mischpaket», doch sie lege den Grundstein für sozialen Fortschritt.
Am vergangenen Samstag hatten bereits die SGB-Mitglieder Unia und VPOD beschlossen, die Rentenreform zu unterstützen. Geschlossen wird die Linke aber nicht marschieren. Gleichentags wollen Westschweizer Gewerkschafter und Frauenorganisationen in Bern ein Nein-Komitee gründen. Die Volksabstimmung findet am 24. September statt.
Linke ohne Kompromissbereitschaft
Der Gewerkschaftsbund hat erwartungsgemäss stur auf die nationalrätlichen Kompromissbereitschaft zur Überwindung der Differenzen bei der Altersvorsorge 2020 reagiert. Doris Bianchi schreibt auf der SGB-Website:
Die von der SVP, FDP und GLP präsentierte Position zur Altersvorsorge 2020 ist keinesfalls geeignet als Kompromiss. Einzig mögliche Grundlage für den Kompromiss mit den Gewerkschaften ist der Beschluss des Ständerats, der eine Erhöhung der AHV-Renten um 840 Fr./Jahr für Alleinstehende und bis zu 2712 Fr./Jahr für Ehepaare enthält.
Auch die SP will nichts von Entgegenkommen wissen und bestärkt ihre demokratiefeindliche Haltung mit der schon x-fach wiederholten und absurden Behauptung, ihre Forderung sei schon ein Kompromiss.
Die SP lehnt den jüngsten Versuch von FDP, SVP und GLP, die Altersreform zu einer rechtsbürgerlichen Vorlage umzubauen, entschieden ab. Die Ständeratsvorlage ist bereits ein Kompromiss. Die Senkung des Umwandlungssatzes und die Erhöhung des Frauenrentenalters sind nur dank der Erhöhung der AHV-Renten um 840 Franken pro Jahr mehrheitsfähig. Weitere Abstriche kann und wird die SP – und mit ihr die Bevölkerung an der Urne – nicht hinnehmen.
SGB-Desinformation
Der Gewerkschaftsbund macht mit gezielter Desinformation Stimmung gegen die Lösung des Nationalrats. Man scheint sich beim SGB seiner Sache nicht mehr allzu sicher zu sein. In einer Mitteilung heisst es:
Der Nationalrat beharrt bei der Altersvorsorge 2020 auf Rentenalter 67 für alle und verweigert weiterhin bessere AHV-Renten. Die grosse Kammer will den mit der Senkung des Umwandlungssatzes bewirkten Rentenabbau einzig mit Massnahmen in der kränkelnden zweiten Säule angehen. Das wäre gerade für Leute mit tiefen Einkommen sowie KMU viel zu teuer. Zudem dauert es zu lange, bis sich diese Massnahmen auch wirklich positiv im Portemonnaie der Betroffenen niederschlagen. Völlig quer in der Landschaft steht die vom Nationalrat beschlossene Vorlage, die zu Rentenalter 67 führen soll. Sollte sich der Nationalrat in der Differenzbereinigung durchsetzen, sind ein Referendum und der Absturz der Reform unausweichlich.
Gewerkschaftsfrauen gegen Rentenalter 65
Die Frauenkommission des SGB ist gegen das Referenzalter 65 und damit gegen die laufende Reform der Altersvorsorge. Der Tages-Anzeiger schreibt:
Die Megareform Altersvorsorge 2020 reisst im linken Lager immer tiefere Gräben auf. Im Bundeshaus kämpfen SP und Grüne geschlossen für eine Erhöhung der AHV-Renten um 70 Franken, um die Senkung des Umwandlungssatzes in der zweiten Säule auszugleichen. Derweil braut sich ausserhalb des Parlaments linker Widerstand zusammen. Er entzündet sich an der im Bundeshaus unbestrittenen Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre. Und der Widerstand der Frauen führt nun auch bei wichtigen nationalen Organisationen zu Störgeräuschen.
Gestern Abend (1.3.17) hat die Frauenkommission des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) ihre Position zur Rentenreform diskutiert. Dabei stiess die Erhöhung des Frauenrentenalters auf heftige Ablehnung. Nach intensiven Debatten resultierte ein Patt: Sieben Vertreterinnen von Gewerkschaften votierten dafür, auch dann das Referendum gegen die Altersreform zu ergreifen, wenn sich im Parlament die von Mitte-links erarbeitete Ständeratslösung durchsetzt. Sieben Gewerkschaftsvertreterinnen lehnten dies ab. Zwei Frauen enthielten sich.
Regula Bühlmann von der SGB-Frauenkommission bestätigt entsprechende Recherchen. Die Position der Gewerkschaftsfrauen ist von grosser Bedeutung: Am 24. März entscheidet der SGB im Rahmen einer ausserordentlichen Delegiertenversammlung über die Altersvorsorge 2020. Einzelne Gewerkschaftssektionen aus der Romandie haben bereits angekündigt, dass sie jede Frauenrentenaltererhöhung per Referendum bekämpfen wollen.
50plus oder doch nur 50minus?
pw. Der traditionelle Anlass des Pensionskassenverbands zum Jahresbeginn galt diesmal ausschliesslich der im Niemandsland der Differenzbereinigung schwebenden Altersvorsorge 2020. Ein Bundesrat – Alain Berset persönlich – und prominente Vertreter der Parteien und Sozialpartner diskutierten den Stand der Dinge und die offenbar stark reduzierten Erfolgsaussichten des wichtigen Reformvorhabens.
Berset liess keine Zweifel, auf welcher Seite der Kontroverse zwischen National- und Ständerat mit ihren unterschiedlichen Kompensationsmodellen seine persönlichen Vorlieben liegen: seine Sympathie gehört voll und ganz dem Ständerat mit seinem Ausgleich der UWS-Senkung unter Einbezug der AHV. Zwar wiederholte er mehrfach sein Bedauern, dass das BR-Modell in beiden Kammern abgelehnt worden sei, findet aber in der SR-Lösung offenbar soviel Trost, dass er dessen Entscheide vorbehaltlos unterstützt.
Der Bundesrat rührte zudem die Werbetrommel für den Ständerat mit der Behauptung, dass dessen Modell den “Stresstest” bestanden habe, und das im Gegensatz zu jenem des Nationalrats. Allerdings lässt sich bloss feststellen, dass die kleine Kammer einfach an ihren Beschlüssen festgehalten hat. Aber das könnte der Nationalrat auch so halten. Reine Unbeweglichkeit bis hin zur Rechthaberei entspricht kaum der sinnvollen Definition eines erfolgreich bestandenen Stresstests.
Und nicht überraschend brachte auch Berset die schon endlos wiederholte Kritik, der Nationalrat habe sich auf einen in letzter Minute eingebrachten Vorschlag eingelassen, was offenbar gegen die guten Sitten verstösst. Dazu wäre ganz grundsätzlich zu sagen, lieber eine gute Lösung in letzter Minute als einen lang geplante schlechte.
In der zweiten Runde kamen prominente Vertreter der Sozialpartner – Paul Rechsteiner und Martin Kaiser sowie aus den Parteien Alex Kuprecht (SVP), Ruth Humbel (CVP) und Kathrin Bertschy (GLP) zum Wort. “Ich verstehe, dass hier niemand von seinen vorgefassten Meinungen abrücken will”, erklärte ASIP-Direktor Hanspeter Konrad, suchte aber doch nach dem notwendigen Spielraum, welcher der Reform schliesslich noch zum Erfolg verhelfen könnte. Denn falls sich niemand bewegt in diesem Polit-Mikado, ist das Scheitern unausweichlich. Aber wer sich in diesem Spiel zuerst bewegt, hat anscheinend schon verloren. Dass Kuprecht im Ständerat nur schon die Möglichkeiten eines AHV-Ausbaus angetönt hatte, wurde von Rechtseiner in der Diskussion denn auch mit viel Gusto und Emphase zum Thema gemacht.
Dass die Diskussion sich nicht in einer starren Wiederholung bekannter Meinungen und Standpunkte erschöpfte, war nicht zuletzt Berschty zu verdanken, gegen deren Argumentation sich auch der nie um Worte verlegene und stets um Selbstbestätigung bemühte Rechsteiner seine liebe Not hatte. Nur eben ungeschickt, dass die junge Nationalrätin ausgerechnet der GLP angehört, welche zusammen mit der FDP diesen “5 vor Zwölf-Antrag” in den Nationalrat eingebracht hatte und der SP den heiss ersehnten AHV-Erfolg zu verderben droht. Dass die junge Generation lieber Geld in die eigene 2. Säule einlegt als damit Rentenzuschläge für eine Generation zu finanzieren, welche bisher alles andere als zu kurz gekommen ist, muss für einen SP-Vertreter eine schmerzhafte Erfahrung bilden.
Denn das pièce de résistance – im wahrsten Sinne des Wortes – in der aktuellen Auseinandersetzung bildet der 70 Franken-Zuschlag auf die neuen AHV-Renten, auf das sich SP und CVP kapriziert haben und das Arbeitgeber wie bürgerliche Parteien (die CVP ist das nur situativ) partout nicht akzeptieren wollen. Kuprecht will sie durch eine Senkung des Koordinationsabzugs ersetzen, welche eine Übergangsfrist von 20 Jahren voraussetzt, was die Arbeitgeber und Fachverbände nicht hinnehmen wollen.
Zum Schluss wurden die Podiumsteilnehmer von Konrad nach ihrer Einschätzung der Erfolgsaussichten des Geschäfts bei der parlamentarischen Schlussabstimmung befragt. Auch wenn man aufgrund der gemachten Erfahrungen bereits etwas skeptisch sein musste, so haben die Antworten dann doch überrascht. Rechsteiner gab eine Quote von 50+ an, für Kuprecht und Kaiser liegt sie bei 50-. Bertschy und Humbel blieben eher vage. Aber nach dem Gehörten lässt sich wohl vermuten, besser als fifty/fifty stehen die Chancen nicht.
“Arbeitslosigkeit bekämpfen, Kaufkraft stärken, PKs entlasten”
Der Gewerkschaftsbund hat an einem Medienanlass diverse Forderungen aufgestellt. Er verlangt u.a. dass die Nationalbank (SNB) die rund 1,2 Mrd. Fr. Einnahmen aus den Negativzinsen an die Pensionskassen zurückerstatten soll – über den Sicherheitsfonds der zweiten Säule. So könne der Druck auf die Pensionskassen etwas gelindert werden.
Doris Bianchi führte in ihrer Analyse der gegenwärtigen Lage der beruflichen Vorsorge aus:
Angeführt von den Empfehlungen der Pensionskassenexperten stehen im 2017 weitere Senkungen des technischen Zinssatzes und der Umwandlungssätze an. Der Referenzzinssatz wird im 2017 voraussichtlich bei 2% liegen. Das bedeutet einen Umwandlungssatz von unter 5%. Die finanziellen Mittel für Ausgleichsmassnahmen sind infolge der bisherigen Senkungsrunden aber vielerorts aufgebraucht. Die Auswirkungen der neuen Senkungsrunde werden die Versicherten daher noch stärker zu spüren bekommen. Denn um die erneute Verschlechterung zu kaschieren, sollen die Risiken immer mehr von der Pensionskasse und dem Arbeitgeber auf die Arbeitnehmer und zur Arbeitnehmerin abgewälzt werden. (…)
Mit einem tiefen technischen Zins vermeidet die PK präventiv eine Sanierung. Die Kosten dafür trägt einseitig der Arbeitnehmende durch einen tieferen Umwandlungssatz bei seiner Pensionierung. Die Arbeitgeberseite profitiert hingegen. Denn damit werden kostspielige Sanierungen vermieden. Das System der beruflichen Vorsorge baut darauf, dass Anlagerisiken kollektiv getragen werden. Zudem ist der Anlageprozess auf eine lange Dauer von rund 65 Jahren angelegt. Das hilft, die Risiken zu glätten. Darum können die PK auch weit mehr in riskantere Anlagen wie Aktien oder Immobilien investieren als Lebensversicherungen oder vorsichtige Privatanleger.
Mitte 2017 wird die Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes in Kraft gesetzt. Damit wird die Wahl der Anlagestrategie für Vorsorgegelder möglich sein – ohne dass noch eine Mindestgarantie besteht. Der Versicherte trägt bei solchen 1e-Plänen das Anlagerisiko selber. Im Falle einer schlechten Renditeentwicklung kann der Versicherte im Freizügigkeitsfall oder im Vorsorgefall mitunter sogar ein tieferes Altersguthaben vorfinden als sein eingebrachtes Guthaben. Ein weiterer Aspekt dieser 1e-Pläne – über den wenig gesprochen wird – ist die Beschränkung des Rentenbezugs. Bei Pensionierung oder im Todesfall und bei Invalidität ist nur der Kapitalbezug möglich. Klar, davon sind zurzeit nur die Gutverdienenden, mit einem Jahresgehalt ab rund Fr. 126‘000, betroffen. Bei tieferen Einkommen sind solche 1e-Pläne nicht möglich. Oder noch nicht möglich.
Pensionskassen haben begonnen, die maximale Jahresrente zu deckeln. Pensionierte müssen künftig ein darüber liegendes Altersguthaben zwingend als Kapital beziehen. Auch hier bezieht sich diese Pflicht für den Kapitalbezug auf Gutverdiener, die bereits eine angemessene Altersrente erhalten werden. Klar ist aber auch, dass damit das Langlebigkeitsrisiko auf den Versicherten übertragen wird. Die berufliche Vorsorge wird so immer mehr zur Spareinrichtung 4 ohne kollektive Risikotragung. Und was jetzt nur für Kaderleute gilt, könnte schon bald auch für tiefere Lohnsegmente gelten.
Der Rechsteiner ist angezogen
pw. Auf der Website des Gewerkschaftsbundes verteidigt SGB-Präsident Paul Rechsteiner heftig das von ihm mitinitiierte Modell des Ständerats mit dem 70 Franken AHV-Zuschlag zum Ausgleich der UWS-Senkung. Dabei wiederholt er die von ihm während der Ständerats-Beratung gemachten Ausführungen, die im Kern darauf hinauslaufen, dass alles andere als das SR-Modell unweigerlich zum Scheitern der Reform führen müsste.
Heftig sind dabei seine Angriffe gegen Martin Kaiser, beim Arbeitgeberverband zuständig für das Dossier Sozialversicherung (und Vorstandsmitglied beim Vorsorgeforum). Kaiser ist massgeblich beteiligt am Konzept des Nationalrats, das explizit den Ausgleich ohne AHV-Zuschlag sucht.
Rechsteiner und Kaiser sind damit die beiden Exponenten der sehr unterschiedlichen Lösungen, wobei die Personalisierung der aktuellen Auseinandersetzung diese zusätzlich befeuert. Wie persönlich das für Rechsteiner geworden ist, lässt sich schon daran erkennen, dass er – seiner Sache offenbar nicht mehr allzu sicher – sogar vor dem harmlosen Wortspielchen “der Kaiser ist nackt” nicht zurückschreckt.
Was er hingegen verschweigt, ist die Tatsache, dass das Kernelement von Kaisers Konzept, die Streichung des Koordinationsabzugs, bereits in der Botschaft des Genossen Berset enthalten war. Wenn das nun aber aus der Küche des Arbeitgeberverbands kommt, ist es trotz gleicher Rezeptur anscheinend ganz ungeniessbar. Wichtigstes Argument sind die Kosten, wobei die Berechnungen des BSV scheinbar über jeden Zweifel erhaben sind, jene der Arbeitgeber, die davon wesentlich abweichen, gar nicht erwähnt werden.
Nun haben die Berechnungen des BSV den Schönheitsfehler, dass das Amt sich weigert, die dazugehörigen Grundlagen zu veröffentlichen. Auch mehrfache Anfragen unsererseits waren bisher erfolglos. Alles was geboten wird, sind die Resultate. Nun haben wir allerdings schon in der Schule gelernt, dass Resultate ohne Angabe des Lösungswegs nicht zählen. Sollte eigentlich auch für Daten gelten, die grössere Bedeutung haben als eine Mathe-Prüfung.
Welchen Weg die Reform einschlägt, wird wesentlich von der Haltung der CVP abhängen. Ihre Exponenten werden entsprechend von Links und Rechts umworben. Im Parlament hat sich die Partei in dieser Frage bisher konsequent an die Seite der SP gestellt, wobei das erfahrungsgemäss bei ihrer Wählerschaft nicht wahnsinnig gut ankommt. Um einen Sinneswandel zu erwirken, wird bei FDP und SVP deshalb auch an Verbesserungen bei der AHV ergänzend zu ihren Vorschlägen gedacht. Was wiederum von der SP mit allergrösstem Misstrauen verfolgt wird, weil sie einerseits den Sukkurs der CVP nicht verlieren will, anderseits die AHV als ihr exklusives Betätigungsfeld erachtet. Arbeitgebervorschläge zu deren Ausbau sind so ungefähr das Allerletzte, was sie sich wünscht.
Am 12./ 13. Januar sowie am 2./ 3. Februar trifft sich die SGK des Nationalrats, um die Ausgangslage bei der AV2020 vor der entscheidenden Frühjahressession zu diskutierten. Und wenn Rechsteiner in seinem Kommentar schreibt, “wir stehen vor spannenden Monaten”, so sind wir für einmal geneigt, ihm vollumfänglich zuzustimmen.
Linke warnt vor einem Scheitern der Reform
Fabian Schäfer berichtet von einem Gespräch mit SGB-Sekretärin Doris Bianchi und spricht von einer “neuen Wendung” bei der Behandlung der AV2020. In seinem Artikel in der Berner Zeitung heisst es:
Bisher brauchten SP und Gewerkschafter die Komfortzone kaum je zu verlassen. Während die bürgerlichen Parteien und Wirtschaftsverbände eifrig betonten, die Altersvorsorge sei in Schieflage und eine Reform dringlich, trat die Linke zurückhaltend bis ablehnend auf. Nachdem nun aber FDP und Arbeitgeberverband gedroht haben, die Reform scheitern zu lassen, nimmt die Debatte teilweise eine neue Wendung.
So macht Doris Bianchi, die beim federführenden Gewerkschaftsbund das Rentendossier betreut, im Gespräch klar, dass sie einen Absturz der Reform à la Ständerat bedauern würde.
Und nun ist sie es, die zumindest implizit vor der Schieflage der AHV warnt: Man wisse ja, sagt Bianchi, was wegen der bevorstehenden Pensionierung der grossen Babyboomergenerationen auf die AHV zukomme. Sie brauche eine Zusatzfinanzierung aus der Mehrwertsteuer. Es sei «fahrlässig», diese jetzt abzulehnen.
AV2020: Freude bei der SP, Kritik der Arbeitgeber
Die SP schreibt zu den Beschlüssen der SGK-S:
Die rechte Nationalratsmehrheit hatte die Altersreform 2020 mit Rentenalter 67 und Rentenkürzungen beinahe zum Entgleisen gebracht. Dank der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats (SGK-S) ist die Reform nun wieder auf Kurs, wenn auch noch lange nicht am Ziel. Die SGK-S hält daran fest, dass die Einbussen in der 2. Säule durch höhere AHV-Renten kompensiert werden müssen und will von einer automatischen Erhöhung des Rentenalters nichts wissen.
Ins gleiche Horn bläst der Gewerkschaftsbund:
Mit ihren Entscheiden korrigiert die Sozialkommission des Ständerats (SGK) die krass arbeitnehmerfeindlichen Entscheide des Nationalrats in der Altersvorsorge. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund begrüsst, dass die SGK nicht auf die Provokation der Nationalratsmehrheit eingetreten ist und den Automatismus für Rentenalter 67 sowie die Streichung der Witwenrente ablehnt und gleichzeitig an der Teilkompensation der Pensionskassen-Rentenausfälle über die AHV festhält.
Es wäre falsch, die Senkung des Umwandlungssatzes einzig innerhalb der zweiten Säule zu kompensieren. Dies kommt alle Beteiligten viel teurer zu stehen. Zudem wäre die angestrebte Rentenhöhe trotz der massiv höheren Beiträgen nicht garantiert. Der sicherste und sozialste Weg, die Rentenausfälle zu kompensieren führt über eine Erhöhung der AHV. Die Minderheitsvorschläge der SGK-S lehnt der SGB ab. Diese Vorschläge wären teurer als der Mehrheitsvorschlag. Zudem würden nur Minderheiten von den angestrebten Verbesserungen profitieren.
Der Arbeitgeberverband hält demgegenüber fest:
Nachdem der Nationalrat in der vergangenen Session die Altersvorsorgereform 2020 auf Erfolgskurs getrimmt hat, zeigt sich die vorberatende Kommission des Ständerats zum Auftakt des Differenzierungsverfahrens unbeirrt. Die Mehrheit der Kommission hält an der bisherigen Position des Ständerats und somit am unverantwortlichen Ausbau der AHV fest. Sie ignoriert damit den jüngsten Volksentscheid und riskiert ein Scheitern der Reform. (…)
Wie weit die Kompensation innerhalb der beruflichen Vorsorge gehen soll, ist letztlich eine politische Frage, bei der sich die beiden Räte finden müssen. Die Mehrheit der SGK-S zeigt sich in der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens uneinsichtig und sperrt sich gegen eine tragfähige Lösung. Dies zeugt nicht von einer hohen Bereitschaft, diese wichtige Reform über den Dialog mehrheitsfähig zu machen.
Eine konstruktive Minderheit der Kommission (Keller-Sutter/Kuprecht) wollte hingegen mit gezielten Vorschlägen auf den Nationalrat zugehen. Dabei respektiert sie insbesondere den Grundsatz, wonach die Säulen nicht zu vermischen sind. Stattdessen will sie eine hinreichende Kompensation innerhalb der beruflichen Vorsorge – ergänzt um gezielte sozialpolitische Massnahmen in der 1. Säule. Das Plenum des Ständerats hat es nun in der Hand, die notwendige Kurskorrektur zu vollziehen.
Arbeitgeberverband / SGB / SP