Die Umwandlungssätze der zweiten Säule sinken massiv. Wie hoch dadurch die künftige Renteneinbusse sein wird und wie diese abgefedert werden kann, sagt Vorsorgeexperte Stefan Thurnherr vom Vermögenszentrum im cash-Talk.
Umwandlungssatz
UWS: Der Trend ist ungebrochen
Die SonntagsZeitung schreibt über den anhaltenden Trend zu tieferen Umwandlungssätzen. Die Zeitung hält fest:
Immer mehr Pensionskassen senken den Umwandlungssatz auf 5 Prozent oder noch tiefer. Die Zahlungen verringern sich damit um einige Hundert Franken pro Monat. Dies droht nun auch den Angestellten der Post und der SBB. Mit 62’000 beziehungsweise 33’000 Beschäftigten sind sie der dritt- und der viertgrösste Arbeitgeber der Schweiz.
Beide drängen darauf, den Satz auf unter 5 Prozent zu senken, bestätigen mehrere Quellen. Dies soll gestaffelt über mehrere Jahre passieren. Die Post will den Satz ab 2018 von heute 5,35 Prozent auf 5 Prozent reduzieren. Später sollen weitere Senkungen folgen. Dabei ist auch die Senkung der Witwen- und Waisenrente vorgesehen.
Postchefin Susanne Ruoff bestätigte gegenüber der SonntagsZeitung am Rande der Bilanzmedienkonferenz, dass das bisherige Niveau nicht beibehalten werden kann. Sie verwies dabei auf die Situation an den Finanzmärkten und die zunehmende Lebenserwartung. «Die Verhandlungen laufen. Es steht noch nicht fest, ob der Umwandlungssatz unter 5 Prozent sinken wird», sagte Ruoff. «Doch nichts zu tun, ist für uns keine Option.»
Gegen solche Einschnitte laufen Gewerkschafter Sturm. «Wir sind gegen eine weitere Reduzierung des Umwandlungssatzes. Eine Senkung auf unter 5 Prozent werden wir mit allen Mitteln bekämpfen», sagt René Fürst, Leiter Branche Post des Personalverbands Transfair. Die SBB wollten die laufenden Gespräche mit den Sozialpartnern nicht kommentieren. «Es wird in den kommenden Monaten darüber entschieden, ob und in welchem Ausmass der Umwandlungssatz gesenkt wird», sagt Patrick Zuber, Sprecher der SBB-Pensionskasse. Momentan liegt er noch bei 5,21 Prozent. 2012 betrug er 6,52 Prozent.
SonntagsZeitung / Luzerner Zeitung
“Schuld am Malaise sind die Regeln des Einmaleins”
Hansueli Schöchli erinnert in einem NZZ-Artikel an die simplen Regeln der Arithmetik, welche auch durch Vorsorgepolitik nicht ausser Kraft zu setzen sind. Er schreibt:
Ein erheblicher Teil der Senkung der Umwandlungssätze spiegelt keine Einbussen der Rentenkaufkraft. Bei einem Rückgang des Umwandlungssatzes in Pensionskassen von zum Beispiel 7 Prozent auf 5 Prozent beruhen, ganz grob geschätzt, vielleicht etwa drei Viertel davon auf der Erhöhung der Lebenserwartung und der Reduktion der Teuerung, womit keine Leistungseinbusse verbunden ist. Der Rest mag mit dem Rückgang der realen Anlagerenditen zusammenhängen. Doch auch die Renditen sind eine rechnerische Realität. Die Politik kann keine Erhöhung der Renditen verordnen – obwohl Bundesrat und Parlament ständig so tun, als würden sie dies schaffen.
UWS-Senkung “an der Realität vorbei”
Der Tages-Anzeiger beschäftigt sich mit den laufenden und teils massiven Senkungen des Umwandlungssatzes vor dem Hintergrund der AV2020 mit der Zielgrösse 6%. Dazu heisst es:
Umwandlungssätze unter 5 Prozent bildeten die versicherungstechnische Realität ab, sagt Pensionskassenexperte Olivier Deprez. Die Senkung sei eine Folge der tiefen Renditen auf den Kapitalmärkten. Deshalb legten die Pensionskassen für die erforderliche Verzinsung des Kapitals ihrer Rentner einen Satz von 2,0 Prozent oder tiefer fest. Dies widerspiegle die langfristigen Erwartungen auf den Kapitalmärkten. Daraus ergebe sich versicherungsmathematisch die Senkung des Umwandlungssatzes auf unter 5 Prozent. «Dies ist der Trend, dem die meisten Kassen folgen werden», sagt Deprez. Sonst müssten Versicherte und Arbeitgeber die Pensionierungsverluste über Umverteilungen finanzieren. Falls aber die Kasse bei der Senkung des Umwandlungssatzes keine Ausgleichsmassnahmen vorsehe, um das Leistungsziel zu erhalten, bleibe manchen Versicherten künftig kaum etwas anderes, als über das Alter von 65 hinaus zu arbeiten, sagt Deprez. (…)
Für den Berner Pensionskassenexperten Werner C. Hug greift die Sicht der Versicherungsexperten zu kurz. «Die zweite Säule ist keine Lebensversicherung, sondern eine Vorsorgeeinrichtung, mit der ein Unternehmen für seine Mitarbeiter vorsorgt.» Hug hält Umwandlungssätze unter 5 Prozent für ungerechtfertigt, weil sie von übertriebenem Sicherheitsdenken ausgingen. «Mit einem Umwandlungssatz von unter 5 Prozent macht man die zweite Säule kaputt.» Ein Versicherter erhalte mit 65 nicht mal mehr jenen jährlichen Anteil seines Kapitals ausbezahlt, den er aufgrund der durchschnittlichen Lebenserwartung bekommen müsste. Die Ursache für diese Entwicklung sieht Hug darin, dass die Stiftungsräte der Pensionskassen die Entscheidungen faktisch an Versicherungsexperten delegierten.
BLPK: Massenexodus wegen UWS-Senkung?
Der Verwaltungsrat der Basellandschaftlichen Pensionskasse (BLPK) hatte beschlossen, den technischen Zinssatz ab 2018 von 3 auf 1,75 Prozent und den Umwandlungssatz ab 2019 in vier Schritten von 5,8 auf 5,0 Prozent zu kürzen. Während die Senkung des technischen Zinssatzes zu einer neuen, durch den Kanton auszufinanzierenden Unterdeckung der Pensionskasse führen kann, wirkt sich die Senkung des Umwandlungssatzes ganz direkt auf die Höhe der Renten ab 2019 aus. Ohne staatliche Abfederungsmassnahmen können die Folgen der Senkung für die Kantonsangestellten drastisch sein. Um bis zu 14 Prozent würde das Rentenniveau absinken, schreibt die Basler Zeitung.
Das wirft die Frage auf, wie viele Staatsangestellte sich der Rentenkürzung theoretisch durch Frühpensionierung entziehen könnten. Gemäss Auskunft des Baselbieter Personalamtes ist das eine beträchtliche Zahl: 987 Staatsangestellte werden laut dem Vorsteher des Personalamts, Martin Lüthy, per 2018 zwischen 58 und 64 alt sein und sich vorzeitig pensionieren lassen können. Bei gut 4000 Vollstellen dürfte dies 17 bis 20 Prozent des Personalbestands entsprechen, denn von den 987 sind nicht alles Vollzeitangestellte.
“Pensionskassen kürzen Renten massiv”
2017 wird für Versicherte ein Horrorjahr. Selbst in gesunden Pensionskassen tun sich Löcher auf. Jetzt sinken die Renten – und die ersten Experten stellen das System in Frage, schreibt der Blick. Weiter heisst es im Beitrag u.a.:
Die Kassen befinden sich in einem veritablen Sturm. Ihr Job: das Geld der Arbeitnehmer zu verwalten, zu vermehren und nach der Pension auszuzahlen. Doch die Zinsen sind am Boden, an den Märkten ist die Zeit der grossen Renditen passé. Gleichzeitig werden die Pensionäre älter und älter. Kurzum: Immer weniger Geld muss immer länger reichen. «Viele Kassen haben heute eine versteckte Unterdeckung. Selbst in gesunden Kassen tun sich Löcher auf», sagt Stefan Thurnherr (52), Pensionskassenspezialist des Vermögenszentrums (VZ).
Für Stefan Thurnherr ist klar: «Die Pensionskassen haben versteckt Rentenalter 70 eingeführt. Sie sagen: Wenn ihr das heutige Rentenniveau wollt, müsst ihr halt fünf Jahre länger arbeiten.» Für Doris Bianchi (42) vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) ist die Schmerzgrenze erreicht. «Wenn der Umwandlungssatz unter fünf Prozent fällt, muss man sich fragen, ob sich bei so wenig Rente pro einbezahltem Franken dieses System noch rechtfertigt.» Viele Leute würden sich überlegen, sich das Geld auszahlen zu lassen und ins Ausland zu ziehen. Mit dem starken Franken komme man dort weiter als mit einer Rente in der Schweiz. Dabei sei das nicht der Sinn der Sache. «Das ist gefährlich! So tragen die Leute das Risiko und erhalten keine sichere Rente», warnt Bianchi.
Tatsächlich gibt es schon einige PK, die den Umwandlungssatz unter fünf Prozent gesenkt haben. SonntagsBlick liegt eine Liste von rund hundert Pensionskassen vor. Beispielsweise die Kasse des staatlichen Rüstungskonzerns Ruag. 2018 wird das angesparte Kapital zu einem Satz von gerade mal 4,56 Prozent in eine Rente umgewandelt. 2010 lag der Umwandlungssatz noch bei 6,8 Prozent. «Ruag ist ein Negativbeispiel. Dort wird es sehr hart», stellt Urban Hodel fest. Er erwartet aber weitere solche Fälle.
Hans Peter Konrad (58), Direktor des Schweizerischen Pensionskassenverbands Asip, bleibt optimistisch. «Die Pensionskassen haben es immer wieder geschafft, die jeweiligen Herausforderungen zu meistern.»
AV2020: Entscheide der SGK-N
Die Sozialkommission des Nationalrats hat nach dem ersten Sitzungstermin ihre Entscheide publiziert. Als wichtigstes Element ist festzuhalten: die Kommission hält an den zentralen Beschlüssen des Nationalrats fest, was bedeutet: Kompensation der UWS-Senkung in der 2. Säule ohne Zuschläge in der AHV sowie Festhalten an der Abschaffung des Koordinationsabzugs. Um dem Vorwurf der hohen Belastung junger Versicherter entgegen zu treten, sollen die Altersgutschriften neu gestaffelt werden. In der Mitteilung der Kommission heisst es dazu:
In der Reform Altersvorsorge 2020 (14.088 s) betrifft eine zentrale Differenz zwischen dem National- und dem Ständerat die Frage, wie die Rentenverluste ausgeglichen werden sollen, die durch die Senkung des Mindestumwandlungssatzes in der zweiten Säule entstehen. Auf der Suche nach einem Kompromiss hat die SGK-NR das Modell des Nationalrates weiterentwickelt, das die Rentenverluste innerhalb der zweiten Säule kompensiert. Insbesondere sollen die jüngere Generation der Erwerbstätigen und ihre Arbeitgeber weniger hohe Sparbeiträge an die Pensionskasse zahlen müssen (5 % im Alter von 25 bis 34 Jahren; 8 % im Alter von 35 bis 44 Jahren). Die Kosten der Kompensation können dadurch deutlich gesenkt werden.
Da auch im weiterentwickelten Modell kein Koordinationsabzug gemacht und somit Sparbeiträge auf dem ganzen versicherten Lohn erhoben werden sollen, bleibt das Rentenniveau gesichert. In der Kommission wurde darauf hingewiesen, dass auch die Altersvorsorge für Teilzeitbeschäftigte, Arbeitnehmer mit mehreren Beschäftigungen und wenig Verdienende verbessert werde, wenn auf den Koordinationsabzug verzichtet wird. Davon profitieren insbesondere auch Frauen. Die Kommission beantragt dieses Modell mit 13 zu 12 Stimmen.
Die Minderheit will dem Ständerat folgen, der zur Kompensation nicht nur Massnahmen in der beruflichen Vorsorge, sondern auch in der AHV beschlossen hat, nämlich einen Rentenzuschlag von 70 Franken im Monat für Neurentner und eine Erhöhung des Plafonds für Ehepaarrenten auf 155 Prozent. Die Mehrheit der SGK-NR lehnt diese Rentenverbesserungen ab, will aber in der AHV gezielt jenen Personen die Frühpensionierung erleichtern, die früh zu arbeiten begonnen und wenig verdient haben (Kosten von 300 Millionen Franken).
Unter Berücksichtigung aller Massnahmen (unter anderem Leistungsgarantie für eine Übergangsgeneration von 20 Jahren) sinken die gesamten Kompensationskosten von 4,45 Milliarden Franken auf 2,85 Milliarden Franken im Jahr 2030. Damit ist das Kompensationsmodell der SGK-NR insgesamt günstiger als das Modell des Ständerates (3,25 Milliarden Franken im Jahr 2030).
Auch bei der AHV gab sich die (knappe) Mehrheit wenig kompromissbereit. Am zweistufigen Interventionsmechanismus mit Rentenaltererhöhung soll ebenfalls festgehalten werden. Dazu wird ausgeführt:
Mit dem Stichentscheid ihres Präsidenten (bei 12 zu 12 Stimmen) hält die Kommission am zweistufigen Interventionsmechanismus in der AHV fest. Mit diesem soll vorgesorgt werden für den Fall, dass die Politik bei absehbaren späteren finanziellen Schwierigkeiten nicht rechtzeitig Gegensteuer gäbe und der AHV-Fonds unter 80 Prozent einer Jahresausgabe sinken würde.
Sollte eine solche Situation eintreten, würde das Referenzalter um maximal 4 Monate pro Jahr auf bis zu 67 Jahre angehoben und parallel dazu die Mehrwertsteuer um bis zu 0,4 Prozentpunkte erhöht. Eine Minderheit der Kommission will dem Ständerat folgen, der auf eine politische Lösung setzt und einen solchen Automatismus ablehnt.
Schliesslich will die Kommission auch bei den Witwen– sowie den Kinder-Altersrenten eine härtere Linie fahren.
Anders als Ständerat folgt die Kommission dem Vorschlag des Bundesrates und sieht die Zeit gekommen, die Regeln für die Hinterlassenenrenten an die gesellschaftliche Entwicklung anzupassen. Mit 15 zu 10 Stimmen hält die Kommission am Beschluss des Nationalrates fest, wonach Witwen nur dann eine Rente erhalten, wenn sie zum Zeitpunkt der Verwitwung unterhaltspflichtige Kinder haben.
Ebenfalls mit 15 zu 10 Stimmen hält die Kommission daran fest, dass ab Inkrafttreten der Reform keine neuen Kinderrenten zur AHV-Altersrente mehr ausgerichtet werden. Im Sinne der Kohärenz beantragt sie zudem, dass es auch keine neuen Kinderrenten zur Pensionskassenrente (BVG-Obligatorium) gibt.
Mitteilung SGK-N /
Faktenblatt / Leistungsvergleich/ Bericht SDA
BLPK mit technischem Zins 1,75%
Die basellandschaftliche Pensionskasse wird den technischen Zins per 1.1.2018 auf 1,75% senken. Dazu heisst es in einer Mitteilung der Kasse:
Der Verwaltungsrat der BLPK hat sich entschieden, die versicherungstechnischen Grundlagen dem schwierigen finanzwirtschaftlichen Umfeld anzupassen: Der technische Zinssatz wird per 1. Januar 2018 von 3.00% auf 1.75% gesenkt. In der Folge wird der Umwandlungssatz ab 2019 bis 2022 in vier Schritten von 5.80% auf 5.00% angepasst.
Auf die laufenden Renten hat die Senkung des technischen Zinssatzes keinen Einfluss. Hingegen sind die zukünftigen Altersrenten betroffen, da mit der Senkung des technischen Zinssatzes auch der Umwandlungssatz angepasst wird. Zusätzlich werden die künftigen Ehegatten- und Lebenspartnerrenten von heute zwei Drittel auf 60% der Alters- bzw. Invalidenrenten gesenkt. Mit diesen Anpassungen will die BLPK sicherstellen, dass sie heute keine Renten verspricht, die sie in Zukunft nicht finanzieren kann. Zudem soll wenn immer möglich eine Querfinanzierung von den aktiven Versicherten zu den Rentnern vermieden werden.
Die Senkung des Umwandlungssatzes führt zukünftig zu tieferen Altersrenten. Die BLPK unterbreitet deshalb den rund 60 angeschlossenen Vorsorgewerken verschiedene Massnahmen, um diese Reduktion abzufedern. Auch kann ein Vorsorgewerk höhere Umwandlungssätze (5.40% statt 5.00%) festlegen, sofern der Arbeitgeber die damit verbundenen Kosten selber finanziert. Zudem hat der Verwaltungsrat der BLPK eine schrittweise Senkung des Umwandlungssatzes ab 2019 bis 2022 beschlossen. Damit soll für die vor der Pensionierung stehenden Jahrgänge die Anpassung gemildert werden.
Update: Der Kanton Baselland plant zur Sanierung der BLPK- sie wird trotz der geplanten Senkungen des UWS notwendig – rund 300 Mio. Franken in die Kasse einzuschiessen. Die Basellandschaftliche Zeitung schreibt dazu:
Damit ist allerdings erst eine Seite abgedeckt, jene der laufenden Renten. Die Belastung könnte sich noch mehr als verdoppeln, sollte der Landrat beschliessen, dass den zurzeit noch berufstätigen Versicherten keine Kürzung der künftigen Renten zuzumuten ist. Ohne Gegenmassnahmen würden die Renten wegen des niedrigeren Umwandlungssatzes nämlich ab 2019 abnehmen – und lägen 2022 um bis zu 14 Prozent tiefer. Würde man dies komplett verhindern und am Leistungsziel von 60 Prozent des versicherten Lohnes festhalten wollen, bräuchte es laut Berechnungen der Finanzverwaltung weitere 330 Millionen Franken. «Hier werden wir aber sicher nicht landen», nahm Finanzdirektor Lauber die Landratsdebatte vorweg.
Mitteilung BLPK /
bz / Tageswoche / bz / bz
“Immer mehr Kassen greifen zum Rotstift”
Michael Ferber analysiert in der NZZ die Entwicklung der von den Pensionskassen angewendeten technischen Zins- und Umwandlungssätze. Sie ist über den Zeitraum der letzten zehn Jahre dramatisch zu nennen. Ferber schreibt:
Grosse Vorsorgeeinrichtungen wie die BVK oder die Pensionskasse der Credit Suisse haben es vorgemacht, nun dürften einige andere Vorsorgeeinrichtungen folgen: Den Versicherten drohen schmerzhafte Kürzungen bei den Rentenleistungen in der beruflichen Vorsorge. Angesichts der anhaltend schwierigen Lage am Kapitalmarkt und von Negativzinsen realisierten die Stiftungsräte in vielen Pensionskassen, dass sie Entwicklungen zum Teil «verschlafen» hätten, sagt Stefan Thurnherr vom VZ Vermögenszentrum. Er erwartet in dieser Hinsicht «ein dramatisches Jahr 2017». Viele Vorsorgeeinrichtungen rechneten mit einem zu hohen technischen Zins und hätten sich in der Vergangenheit in falscher Sicherheit gewiegt. Nun fühlten sie sich gezwungen zu agieren.
Auch Ueli Mettler von der Beratungsgesellschaft «c-alm» geht davon aus, dass viele Vorsorgeeinrichtungen nicht umhinkommen, das Leistungsniveau anzupassen – vor allem im überobligatorischen Teil. Einige Pensionskassen hätten hier Nachholbedarf. Thurnherr erwartet, dass einige Vorsorgeeinrichtungen ihre Änderungen im Frühjahr 2017 kommunizieren, am 1. Januar 2018 dürften diese dann in Kraft treten.
BVK: “Die Umverteilung ist enorm”
Charlotte Jacquemart hat für die NZZ am Sonntag Thomas Schönbächler, Geschäftsführer der kantonalzürcherischen BVK interviewt. Zur Sprache kamen die Themen, die heute alle PKs betreffen, die BVK in ihrer exponierten Stellung aber ganz besonders. Auszüge:
Die Umverteilung von Jung zu Alt ist heute in der zweiten Säule extrem ausgeprägt. Weil an vielen Orten immer noch zu hohe Renten garantiert werden.
Richtig. Die Umverteilung ist enorm. Mein Motto ist deshalb «Back to the roots!» 1985 war das System im Gleichgewicht. Die Rendite von Bundesobligationen garantierte die Verzinsung des Geldes der Arbeitnehmer und die Versprechen an die Rentner. Heute ist dies nicht mehr der Fall. Jene, die in Rente sind oder gehen, werden krass bevorteilt. Die Jungen werden heute in keiner Weise dafür entschädigt, dass sie das Risikokapital zu Verfügung stellen für zu hohe laufende Renten.
Ihre Kasse geht als eine der ersten sehr konsequent gegen die systemfremde Umverteilung vor. Die Senkung der Renten hat der BVK auch Kritik eingetragen. Einige angeschlossene Firmen haben damit gedroht, die BVK zu verlassen. Wie viele haben das letztlich getan?
Verlassen haben uns nur ganz wenige. In der Gemeinde Schlieren steht die Urabstimmung noch aus. Die Universität Zürich hingegen bleibt bei uns, auch alle Spitäler. Insgesamt haben 67 Anschlüsse ihre Daten bei uns bestellt, um Offerten bei Konkurrenten einzuholen – von rund 450.
Geht die BVK mit der massiven Senkung des Umwandlungssatzes auf 4,87% ab 2017 nicht zu weit?
Nein. Die Lebenserwartung nimmt alle zehn Jahre um über ein Jahr zu. Wir haben rekordtiefe Zinsen. Und vergessen Sie nicht: Die BVK steckt in einer Unterdeckung. Wir verlangen Sanierungsbeiträge. Dies geschieht via Minderverzinsung. Die Sanierungsbeiträge fliessen damit direkt zu den Pensionierten – wegen der zu hohen Umwandlungssätze, die wir dort anwenden müssen. Das ist extrem stossend. Dadurch, dass wir den Umwandlungssatz um 21% reduzieren, sichern wir das finanzielle Gleichgewicht der Kasse und schützen die junge Generation. Die Jungen werden nicht unbedingt tiefere Renten haben, da sie noch viel Zeit haben, um Geld anzusparen.
Publica plant weitere Kürzung des Umwandlungssatzes
Auf ihrer Website orientiert die Pensionskasse des Bundes über eine erneute Kürzung ihres UWS. Zu lesen ist:
Die Kassenkommission der Publica sieht eine weitere Senkung des technischen Zinssatzes und damit auch des Umwandlungssatzes vor. Der neue Wert im Alter 65 soll 5.09% betragen (bisher 5.65%) und per Mitte 2018 eingeführt werden. Für über 58-jährige Arbeitnehmende ist eine Übergangsregelung vorgesehen. Die Kassenkommission reagiert damit auf das anhaltend tiefe Zinsniveau und die Renditeerwartungen auf dem Anlagevermögen, die – auch bei kurzfristigen Erholungen – längerfristig tief bleiben dürften. Im Rahmen einer dreimonatigen Vernehmlassung will PUBLICA die Meinung der paritätischen Organe der offenen Vorsorgewerke zu den geplanten Massnahmen einholen. Ihre definitiven Beschlüsse wird die Kassenkommission nach Auswertung der Vernehmlassungsergebnisse, voraussichtlich Ende des ersten Quartals 2017, fassen und kommunizieren.
(…) Der technische Zinssatz, der seit dem 1.1.2015 bei 2.75% (offene Vorsorgewerke) bzw. 2.25% (geschlossene Vorsorgewerke) liegt, soll auf 2.0% bzw. 1.25% gesenkt werden. Mit der Senkung des technischen Zinssatzes wird die benötigte Sollrendite gesenkt und die Verzinsungsdifferenz zwischen den Vorsorgekapitalien der Versicherten und der Rentenbeziehenden reduziert. (…)
Die Kassenkommission sieht eine abgestufte Umstellung auf den neuen Umwandlungssatz vor, um die Leistungseinbussen für ältere Arbeitnehmende, die im Zeitpunkt der Umstellung über 58-jährig sind, angemessen abzufedern. Die paritätischen Organe können – in Absprache mit den Sozialpartnern – zusätzliche flankierende Massnahmen zur Beschränkung von Leistungseinbussen ergreifen.
Die laufende Vernehmlassung zu den Massnahmen, die von der Kassenkommission zu beschliessen sind, dauert bis Ende Januar 2017. Die definitiven Beschlüsse werden von der Kassenkommission im Anschluss an die Auswertung der Vernehmlassungsergebnisse, voraussichtlich Ende des ersten Quartals 2017, gefasst und kommuniziert.
In der NZZ wird dazu festgehalten:
Der Publica-Vorschlag klingt realistisch. Laut einer vom Bund bestellten Analyse des Wirtschaftsinstituts BAK von 2014 sind für die nächsten zwei Jahrzehnte im Mittel Jahresrenditen von 2% bis 3% zu erwarten. Gemäss der Schweizerischen Kammer der Pensionskassenexperten liegt heuer die Referenzgrösse für den technischen Zinssatz bei 2,25%. Laut Simulationen der Beratungsfirma PPCmetrics dürfte der Referenzsatz in den nächsten Jahren unter 2% fallen.
Die Publica rechnet derweil gemäss Direktor Dieter Stohler für die nächsten Jahre mit einer Anlagerendite von 1,5% bis 2% pro Jahr. Bundesrat und Parlament können nicht per Dekret eine höhere Rendite und eine tiefere Lebenserwartung verordnen – obwohl sie ständig den Eindruck erwecken, genau dies tun zu wollen.
Blick sieht “Rentenmassaker”
pw. Offenbar befeuert mit nicht ganz verstandenen Daten aus dubiosen Quellen macht der Blick auf Panik wegen der Altersvorsorge 2020 – willkommene Unterstützung für den diesbezüglich nicht sehr wählerischen Gewerkschaftsbund. Es geht offenbar um die Dauer der geplanten Ausgleichszahlungen durch den Sicherheitsfonds, die aber nur für eine relativ kleine Minderheit von ca. 15 Prozent relevant sind. Wie üblich wird die Umwandlungssatzsenkung gleichgesetzt mit Rentenkürzung. Die notwendige Unterscheidung ist offenbar gewissen Medien nicht zuzumuten. Der SGB macht das Spiel munter mit. Zitiert wird Doris Bianchi:
«Die bürgerlichen Versprechungen, das Rentenniveau zu halten, sind Schnee von gestern», sagt Doris Bianchi vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund. Wer zwischen 1964 und 1974 geboren wurde, sei am stärksten betroffen. «Leute rund um 50 sind die Gelackmeierten.» Sie würden zur Verlierer-Generation mit Renteneinbussen in der 2. Säule von bis zu 13 Prozent. Selbst wenn man die AHV hinzurechne, falle ihre Rente deutlich tiefer aus.
Beobachter: “Lotterie” der Umwandlungssätze
Der Beobachter schreibt in einem Artikel zur laufenden Senkung der Umwandlungssätze: “Die Renten der Pensionskassen schrumpfen. Aber nicht alle gleich stark. Das macht die zweite Säule zur Lotterie”.
Sorgen um die Rente
Neuste Prognosen des Bundesamts für Statistik zeigen, dass die Schweizer Männer in Zukunft älter werden als bisher angenommen. Deshalb muss der Umwandlungssatz für die Renten der Pensionskassen stärker gesenkt werden. 73 Prozent der Teilnehmer an einer Onlineumfrage des «Tages-Anzeigers» machen sich Sorgen um ihre künftige PK-Rente. Nur 27 Prozent sehen in der Reduktion der Renten kein grosses Problem.
NZZ: Bei Pensionskassen regiert der Rotstift
Michael Ferber beschäftigt sich in der NZZ mit den teilweise markanten Senkungen der Umwandlungssätze in letzter Zeit. Schlagzeilen haben insbesondere BVK und die CS-Pensionskasse mit Sätzen unter 5% gemacht. Ferber schreibt:
Was hat es zu bedeuten, wenn zwei der grössten Pensionskassen solche Entscheide fällen? Jérôme Cosandey vom Think-Tank Avenir Suisse schliesst nicht aus, dass weitere Pensionskassen bald ähnliche Massnahmen ankündigen. Mit ihren Reformpaketen hätten die Pensionskasse der CS sowie die BVK die psychologisch wichtige Grenze von 5% beim Umwandlungssatz durchbrochen. Dies könnte andere Pensionskassen dazu animieren, dies ebenfalls zu tun. Zudem sorgen die extrem niedrigen Zinsen für Druck auf die Vorsorgeeinrichtungen. (…)
Des Weiteren sorgen die internationalen Rechnungslegungsvorschriften IFRS und US-GAAP für Druck auf die berufliche Vorsorge. Der Standard IAS 19 führe mehr und mehr dazu, dass international tätige Unternehmen beträchtliche Verbindlichkeiten ausweisen müssten – was sie dazu verleite, die Risiken von Vorsorgeplänen auf ihre Mitarbeiter abzuwälzen, heisst es in der Branche. Dies könne dadurch geschehen, dass für Kaderpläne obligatorisch nur noch der Kapitalbezug vorgesehen wird oder dass Wahlpläne für die Anlagestrategie eingeführt werden. In beiden Fällen geht das Risiko für die Kapitalbewirtschaftung an die Versicherten über. Das Unternehmen könne seine Bilanzverpflichtungen dementsprechend kürzen, sagt der unabhängige Finanz- und Vorsorgeexperte Daniel Dubach. Von dieser Seite her komme starker Druck auf das Pensionskassensystem zu. Auch einige Unternehmen aus dem Industriebereich, die wegen des starken Frankens unter Druck stünden, dürften über Kürzungen bei der beruflichen Vorsorge nachdenken.