Die BVG-Reform ist umstritten. Braucht es sie überhaupt? Die Gewerkschaften sagen nein, und sie werden von den PK-Experten unterstützt. Von besonderem Interesse ist die Situation der BVG-nahen Kassen. Markus Brotschi schreibt im Tages-Anzeiger:

BVG-nahe Pensionskassen hätten hohe Rückstellungen vorgenommen, um die in den nächsten Jahren anfallenden Pensionierungskosten abzudecken, sagt Patrick Spuhler, Versicherungsexperte bei Prevanto. Ermöglicht wurden diese Rückstellungen durch erhöhte Risikobeiträge und Zinserträge.

Spuhler sagt, für ihn sei es eine Frage der Fairness, ob und in welchem Ausmass man diese Umverteilung von den Erwerbstätigen zu den Pensionierten beibehalten wolle. Denn die Überschüsse, die in die Rückstellungen fliessen, würden bei einem tieferen Umwandlungssatz den aktiven Versicherten gutgeschrieben.

Auch Pensionskassenexperte Roger Baumann von C-Alm bestätigt: «Keine Pensionskasse ist auf eine Senkung des Umwandlungssatzes wirklich angewiesen. Das Problem ist die unerwünschte, systemfremde Umverteilung von Jung zu Alt.»

Manche BVG-nahen Pensionskassen haben aber auch deshalb mit dem aktuellen Umwandlungssatz kein Problem, weil viele ihrer Versicherten bei der Pensionierung das Kapital statt die Rente beziehen. Zudem ist die Lebenserwartung der Versicherten unterdurchschnittlich.

Eine dieser Kassen ist Hotela, die Kasse der Hotelleriebranche, bei der 85 Prozent der Versicherten im gesetzlichen Minimum versichert sind. Der durchschnittliche Jahreslohn liege bei rund 50’000 Franken, sagt Hotela-Generaldirektor Michael Bolt. Viele Versicherte seien ausländische Angestellte, die sich bei der Rückkehr in ihre Heimat das angesparte Alterskapital von 100’000 bis 150’000 Franken vollständig auszahlen liessen, sagt Bolt.

Für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund bestätigen die Aussagen der Pensionskassenexperten, dass es die BVG-Reform nicht braucht. «Die BVG-nahen Pensionskassen haben alle eine Lösung gefunden», sagt Gabriela Medici, stellvertretende Leiterin des SGB-Generalsekretariats. Zudem würden diese Vorsorgeeinrichtungen mit der Reform nicht entlastet, wie das die Befürworter behaupteten.

Zwar könnten bei den Kassen dank des tieferen Umwandlungssatzes laut Schätzung des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) 600 bis 900 Millionen an Rückstellungen aufgelöst werden. Diese haben die Kassen zur Finanzierung der Renten mit dem aktuellen Umwandlungssatz gemacht.

Allerdings müssten nun ausgerechnet diese Kassen einen Teil der Rentenkompensation für die Übergangsgeneration aus eigenen Mitteln finanzieren. Das BSV beziffert die jährlichen Kosten dieser Zuschläge, die eine Rentensenkung verhindern sollen, auf rund 500 Millionen Franken pro Jahr. «Die Belastung dieser Pensionskassen steigt mit der Reform sogar», sagt Medici.

Pensionskassenexperte Roger Baumann (c-alm) hält diese Sichtweise für falsch. «BVG-nahe Pensionskassen hatten bisher einen zu hohen Umwandlungssatz und werden jetzt entlastet. Folgerichtig müssen sie die Folgen der Senkung auf 6,0 Prozent selber abfedern.» Diese Kompensation komme eine Kasse aber keinesfalls teurer zu stehen als die zu hohen Renten wegen des Umwandlungssatzes von 6,8 Prozent. Sie werde nur etwas später entlastet, weil sie vorübergehend diese Zahlungen machen müsse.