Wer wegen Unfall oder Krankheit im angestammten Beruf nicht weiterarbeiten kann, den unterstützt die Invalidenversicherung bei der Umschulung. Was gut tönt und erfolgreich praktiziert wird, hat aber einen Haken. Nun wird die Politik aktiv, schreiben die CH-Medien.

Diese Medaille hat drei Seiten. Die eine glänzt: Gut 55’000 Personen mit gesundheitlichen Problemen hat die Invalidenversicherung (IV) vergangenes Jahr unterstützt, um wieder im Arbeitsmarkt Fuss zu fassen. Das sind drei Mal mehr Menschen als vor fünfzehn Jahren. Die Kosten haben sich derweil lediglich auf 886 Millionen Franken verdoppelt.

Und vor allem freute sich der Bund jüngst in einer Mitteilung, dass knapp zwei Drittel der von der IV unterstützten Personen 2023 wieder eine Anstellung gefunden haben. Oder dass sie zumindest erwerbsfähig und damit auf Jobsuche waren.

Doch wer genau hinschaut, dem kann die Kehrseite dieser Erfolgsmeldung nicht verborgen bleiben: Auf dem Weg zur beruflichen Integration setzt die Invalidenversicherung ihre Versicherten nicht nur mächtig unter Druck.

Bei der zweiten Seite dieser Medaille geht es meist um die Berechnung der Renten, die auf Basis der Differenz zwischen dem bisherigen und dem künftigen Lohn berechnet wird. Dabei hat sich die IV jahrelang auf statistisch zu hohe Löhne gestützt – wie sie Gesunde erwirtschaften, Beeinträchtigte aber niemals erzielen können.

Damit zur dritten Seite der Medaille, die bis jetzt vorab in Fachkreisen heiss diskutiert wird. Demnach argumentiert die Invalidenversicherung nicht selten nämlich auch bereits vor dem eigentlichen Rentenentscheid ziemlich weltfremd. «Ohne Bezug zu existierenden beruflichen Anforderungen und realen Arbeitstätigkeiten» werde da entschieden, welche Arbeit einer Person noch zumutbar sei, schreiben Martina Filippo und Philipp Egli in einem eben publizierten Gutachten.

In anderen Worten: Kann einer Person irgendeine andere als die bisherige Arbeit zugemutet werden, spielt es für die IV keine Rolle, ob es den entsprechenden Job überhaupt gibt, geschweige denn eine Stelle frei ist. (…)

Dass die glänzende Medaille und deren Kehrseite noch eine dritte Seite hat, kommt nun allerdings auch in der Politik an. Jedenfalls ist diesen Donnerstag in der ständerätlichen Gesundheitskommission ein Vorstoss von Sidney Kamerzin traktandiert, welcher eine Korrektur verlangt. Der Walliser Mitte-Nationalrat fordert, die IV müsse sich künftig an den «realen Beschäftigungsmöglichkeiten» orientieren und nicht mehr am theoretischen Begriff des «ausgeglichenen Arbeitsmarkts».