nzzHansueli Schöchli nimmt sich in der NZZ des Themas BVG-Reform an. Ob das Paket beim Stimmbürger Erfolg hat, scheint er zu bezweifeln.

Die Gewerkschaften ergriffen das Referendum gegen die Reform mit dem Spruch «mehr bezahlen für weniger Rente». Das suggeriert, dass dem Volk irgendwie Geld entzogen wird. Das ist Humbug. Richtig ist vielmehr: Es wird Nettogewinner und Nettoverlierer geben, doch für die Gesamtbevölkerung ist der Saldo null.

Bei den Pensionskassen sparen die Versicherten im Prinzip für sich selber. Ein solches System ist den Gewerkschaften grundsätzlich zuwider, weil versteckte Umverteilungen von Jung zu Alt und von oben nach unten schwieriger machbar sind als in der AHV. Darum wird die Linke immer für einen Ausbau der AHV sein und das Pensionskassensystem torpedieren. (…)

Doch Subventionen sind Drogen: Ein Entzug führt sofort zu einem Aufschrei. Die politische Linke ruft reflexartig «Rentenabbau», sie blendet bewusst die Gewinner aus, und die Medien transportieren diese Erzählung gerne. Eine solche Reform hat es deshalb an der Urne schwer. So hat das Parlament für 15 Übergangsjahrgänge «Kompensationen» via Rentenzuschläge von 100 bis 200 Franken pro Monat beschlossen. Die Senkung der bisherigen Subvention soll also durch eine neue Subvention aufgefangen werden. Das erscheint bizarr, doch man nennt dies Politik.

Das Parlament hat sogar starke Überkompensationen beschlossen. Rund die Hälfte aller Neurentner der Übergangsjahrgänge soll einen Rentenzuschlag bekommen, obwohl nur etwa 15 Prozent von der Senkung des Mindestumwandlungssatzes direkt betroffen wären. Das soll die Chancen der Reform an der Urne erhöhen. Gut 60 Prozent der Kosten für die Rentenzuschläge gehen zulasten der betroffenen Pensionskassen. Der Rest der Kosten wird in der Branche via den zentralen BVG-Sicherheitsfonds sozialisiert. Damit entsteht ein zusätzlicher Kanal von versteckten Umverteilungen – von Hochlohn- zu Tieflohnbetrieben. (…)

Ein Ausbau der Versicherung heisst aber auch ein Ausbau der Lohnbeiträge. Formal zahlen die Arbeitgeber die Hälfte dieser Beiträge, doch letztlich dürfte der grösste Teil der Zusatzkosten auf die Arbeitnehmer (und die Konsumenten) überwälzt werden. Solche Überwälzungen geschehen indes versteckt. Deshalb werden sie in der öffentlichen Diskussion verdrängt. (…)

in Kernargument für die Reform bei Bürgerlichen lautete lange Zeit etwa so: Man müsse zeigen, dass die berufliche Vorsorge noch reformfähig sei, sonst würden die Ausbaudiskussionen nur noch über die AHV laufen. Das Argument verlor stark an Gewicht, denn das Volk hat diesen März ohnehin schon einen massiven AHV-Ausbau beschlossen. Dennoch möchten Befürworter der BVG-Reform zeigen, dass das Pensionskassensystem entwicklungsfähig ist.

Für die meisten Pensionskassen wäre ein Scheitern der Reform kein Drama. Kassen mit wenig überobligatorischem Kapital müssten dagegen wohl früher oder später zur Finanzierung der rechnerisch überhöhten Renten Sanierungsbeiträge von Versicherten und/oder Arbeitgebern beschliessen. Denkbar wäre zudem eine neue Reformvorlage, die den Umwandlungssatz nicht anrührt, so die unsägliche Kompensationsdebatte umschifft und auf den Ausbau der Versicherung für Tiefverdiener beschränkt ist. Das würde den Widerstand von links reduzieren, aber im Gegenzug den Widerstand des Gewerbes vergrössern. Ob eine solche Reform mehrheitsfähig wäre, steht in den Sternen.

  NZZ